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Das Reichenviertel

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Beitrag von Gast Sa Sep 28, 2013 10:27 pm

First Post! (ein kurzer Einstieg...)
Die Luft hing über dem Boden. Sie war schwer, getränkt von der Nässe. In dieser regengeschwängerten Luft hing die Feuchtigkeit wie ein dunkler Schleier. Sie bildete einen Vorhang, der verhinderte, dass die Leute sich sehen konnten. Die Menschen eilten durch die genässte, klamme Atmosphäre von Tür zu Tür, die Leute unterbrachen ihre Einkaufstouren und suchten stattdessen lieber den Weg zu ihrem trauten Heim auf. In dieser Situation schien nur wenig Freude bei den Menschen zu sein. Die anwesenden Leute hatten schon bessere Tage erlebt. Und an diese wollten sie denken. Sie wollten ihre Umgebung vergessen und in die Ferne schweifen. Nicht nur räumlich, sondern viel mehr auch zeitlich. Denn was gab es schöneres als die freudigsten Erinnerungen, die das eigene Gedächtnis zu bieten hatte. Es wäre ein Fluchtweg gewesen, ein vom Verstand ausgelöster Notausgang, wie mit einem hell grün leuchtenden Schild über ihren Köpfen würden sie  - noch auf dem Weg nach Hause befindlich – ihre Umgebung meiden und alles vergessen.
Unter all diesen Leute wandelte auch ein Mann, der auf den ersten Blick wie sie war. Er war traurig. Er war verzweifelt. Doch auf dem zweiten Blick hätte man merken können, dass er sehr traurig war. Und auf dem dritten wurde o ffensichtlich, dass er von Sorgen geplagt war. Und auf dem vierten hätte man noch etwas anderes gemerkt, wenn man denn diesen Mann zu Beginn seines mittleren Alters so lange hätte betrachten wollen, als wäre man von ihm fasziniert, als wäre er ein Model, oder als wäre man in ihn unsterblich verliebt. Doch da kein Blick so lange auf ihm haftete, gab es auch keine Feststellung, dass er so zermürbt war. Es gab niemandem, der seine Lage erkannt hatte. Doch zur Verteidigung der Allgemeinheit muss man sagen, dass es auch nicht ihre Aufgabe war, nach dem Zustand des Mannes zu schauen. Denn diese Leute waren nicht wie er und mussten es auch nicht sein.
Es lag nicht nur an dem durchgängigen Gemütszustand, dass dieser Herr anders war als das allgemein verweilende Fußvolk in den Einkaufsstraßen. Es gab noch ein viel bedeutendes Thema, dass nur der Erzähler wissen kann, dass eigentlich auch sonst nur dieser Herr wissen kann. Denn obwohl dieser Herr so sorgengeplagt war – und das vielfach im Vergleich zu den anderen Leuten – so war er doch der einzige, der es schaffte, sich in anderen Erinnerungen zu befinden und in diesen zu schwelgen. Reichte das Denkvermögen der anderen nicht aus? Oder war die Erklärung schlicht so simpel, dass die anderen es nicht nötig hatten, wo es ihnen vergleichsweise doch so gut ging. Nein. Beides falsch. Die Antwort kann ganz anders sein. Und sie ist es auch.
Der Elementare Unterschied war, dass sie keine Erinnerungen hatten. „Klarer Fall“, denkt sich nun der eifrige Leser, ebenfalls kundig über die Fähigkeiten dieses dubiosen Mannes. Er hat all diesen Menschen nacheinander ihre Erinnerungen geklaut. Doch das ist nicht richtig. Denn die Wahrheit ist, dass diese Menschen alles Projektionen sind. Daher haben sie keine Erinnerungen. Sie sind nicht befugt dazu, sich Erinnerungen anzulegen. Doch wieso läuft dieser Mann dann so wahllos herum, wenn er gerade ein Dream-Sharing durchführt? Das wäre die nächste Frage. Und auch diese ist leicht zu beantworten. Zugegeben, wenn man die Antwort kennt, natürlich.
Der Herr hatte kein Ziel. Er war nämlich in seinem eigenen Traum. Er hatte während des Schlafens den Versuch unternommen, einen Traum zu träumen, den er nun träumen wollte. Doch seine Stimmung war seit einigen Tagen wieder so auf dem Nullpunkt, dass er dazu nicht imstande war. Er war nur dazu fähig, einen solch tristen, solch trostlosen, solch verzweifelnd schäbige Traum zu träumen. Wenn jemand schon fähig ist dies zu steuern, so hat er dennoch keinen schöneren Traum als alle anderen. Welch eine Ironie.
Es war für Marston, so lautet der Name des Herren, eine Erleichterung, nach etwa 6 Stunden schlechtem Schlaf aus seinem Bett zu kriechen und nach anderen Aufgaben zu suchen. Er brauchte eine Beschäftigung, nein vielmehr eine Ablenkung. Dies war nicht das gleiche für Marston. Das war es noch nie gewesen. Seit 33 Jahren nicht mehr.
Marston entschied sich zunächst für ein schnelles Frühstück in seiner Villa. Aber auch hier muss ich ausschweifen, denn der Begriff Villa wäre nicht hinreichend. Wir müssen klären, welche Villa es denn ist. Denn Marston hat mehrere, wenn nicht zu sagen einige, wenn nicht viele treffender wäre. Ach, richtig wäre einzig und allein die Zahl zu nennen. Doch Marston merkt sich diese nicht. Ihm ist es völlig gleichgültig, wie viele in seinem Besitz sind. Er braucht eben nur immer auf jedem nur erdenklichen Ort in der Welt einen gemütlichen Schlafplatz, um gut träumen zu können. Und das nach seinem Begriff eine Villa.
Er war also in dieser Villa, sie liegt in Hargeon. Das letzte Mal hatte er sie vor einigen Monaten benutzt. Die Sauberkeit und die vorliegenden Lebensmittel hatte er nur den Servicekräften zu verdanken, die zu jedem Zeitpunkt einen vollen Vorratsraum und eine saubere Wohneinheit aufweisen können müssen.
Marston frühstückte recht zügig. Er brauchte die Ablenkung. Und vielleicht würde er sie draußen finden. Vielleicht würde ihn jemand fordern. Vielleicht hatte er einen Auftrag. Und wenige Augenblicke später war es klar: Er hatte einen. Ein älterer Herr hatte den Architekten – dies war sein liebevoller Geschäftsname – zu sich geordert. Zumindest war es diesem Mann sehr wichtig, dass Marston in den nächsten 48 Stunden erscheinen sollte. Dem wollte der Anzugträger auch nach kommen. Immerhin lag es an ihm, sich von den Qualen der letzten Nacht zu entlegen.
Als er sein Anwesen verließ, blickte er auf die Straße des wohlhabendes Teils der Ortschaft. Die Straßen waren um 6 Uhr früh noch halbwegs leer. Marston musste also nicht viele andere Leute anschauen. Er konnte sich zu seinem Ziel begeben. Er würde dieses Mal eine magische Kutsche nehmen. Diese war nur wenige Straßen entfernt.
Alsbald sollte dem Architekten aber klar werden, dass die reale Welt, zumindest in den Straßen, in denen er sich gerade aufhielt, ebenfalls als trist charakterisiert werden konnte. Zudem vollendeten drei pubertäre Mädchen, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite verweilten, das schlechte Bild der Wirklichkeit. Die Mädchen schienen geistig äußerst eingeschränkt zu sein und bei ihnen handelte es sich laut gegenseitiger “Bezeichnung“ um „Schlampen, Mistgeburten und Scheißkühe“. Es wäre für Marston eine Leichtigkeit gewesen, die drei sämtlichen verbleibenden Verstandes zu berauben. Nicht, dass es etwas gebracht hätte. Denn in seinen Augen war die Welt schon ohnehin verloren. Er konnte versuchen, was er wollte. Er hätte durch die Einkaufsstraßen gehen können und lächeln können bis der Ast vom Baum abfällt... die Menschen wären nicht glücklicher gewesen. Obwohl Lächeln null Cent/Minute kostet, ohne Mindestgebühr und Einrichtungspreis, sozusagen komplett kostenfrei – es wäre nicht die Lösung gewesen. Denn es hatte keine Auswirkung. Nicht für Marston. Es machte ihn nicht besser. Es half ihm nicht. Und wieso sollte er anderen helfen, wenn er selbst nicht einmal mit seinem Leben klarkam? Dass er Leuten das Leben mit dem Gedankenspiel per Dream-Sharing das Leben versüßte, das war keine Heldentat. Der Architekt war einzig auf das Geld aus. Das war sein Bestreben. Das war sein Plan zur Rettung. Zu seiner Rettung.
Es hatte auch per Kutsche etwas mehr als 20 Minuten gebraucht, um den Auftraggeber am anderen Ende des Stadtviertels zu erreichen. Wie man sich denken kann, war dieser ebenfalls wohlhabend – natürlich nicht so sehr wie Marston. Wie denn auch? Marston zog den anderen Leuten das Geld aus der Tasche und häufte es bei sich systematisch an. Er wurde immer reicher. Nachdem er den Aufenthaltsraum des alten Mannes erreicht hatte, in dem sich auch dessen ebenfalls so alte Frau aufhielt, beide auf einer Garnitur sitzend, begann eine längere Konversation. Marston begann das Gespräch noch im Stehen. Eine alte Angewohnheit. So fühlte er sich schon während des ersten klärenden Gespräches überlegen und konnte sich sicher sein, dass diese Menschen um seine Hilfe bettelten. Anscheinend hatte der Architekt dieses Armutszeugnis bitter nötig...
„Guten Tag, Ich bin der Architekt. Sie haben mich gerufen. Nun bin ich hier. Ich möchte gleich zur Sache kommen. Dann geht alles schneller. Sowohl für mich, als auch für Sie. Davon haben wir alle etwas. Denn Zeit ist Geld. Und für Sie dürfte Zeit noch viel mehr sein. Denn wer mich ruft, der hat größere Probleme und ist wohl sicherlich geneigt, diese möglichst schnell zu beseitigen, nicht wahr?“

„Erst einmal einen schönen guten Morgen, Architekt. Ich weiß, eine Floskel. Sicherlich war es kein schöner Morgen für sie. In Anbetracht dessen, dass sie so früh zu uns geeilt sind. Doch andererseits sind wir sehr froh, dass Ihnen Ihre Kunden so wichtig sind und sie hier so schleunigst aufgetaucht sind. Allein das zeugt schon von ihrem Pflichtbewusstsein, mit welchem Sie gewiss unseren Auftrag auch in Windeseile erledigt haben werden.“
Marston bemerkte schon jetzt, dass dieser Mann sehr redefreudig war. Er mochte solche Leute nicht Er mochte die meisten Menschen im Allgemeinen nicht. Es wäre folglich das Beste, bliebe der Redeanfall des alten Greises in einem möglichst geringem Umfang. „Es lag mir nicht daran, so schnell zu Ihnen zu kommen. Ich konnte einfach nur nicht mehr Schlafen. Okay? Nicht mehr und nicht weniger, und nun kommen wir zur Sache. Worum geht es?“ So viel Ehrlichkeit musste sein. Marston war häufig so direkt. So konnte er sich unnötigen Kram sparen. „Gut, wir wollten Sie nicht in Verlegenheit bringen. Kommen wir aber wie gewünscht zum Geschäft: Grob gesagt geht es darum, dass meine Frau und ich uns umbringen wollen.“ Marston runzelte die Stirn. „Wo ist das Problem? Dafür brauchen Sie mich nicht. Einfach in den vierten Stock und Hopp! Fertig ist es.“
Der Mann musste den Architekten beschwichtigen. „Nein, nein. Sie verstehen mich nicht richtig. Wir haben einen Sohn. Er lebt nicht mehr bei uns, Schon seit langem nicht mehr. Er hat auch nicht meine Firma übernommen. Er hat sich stattdessen sein eigenes Leben aufgebaut. Doch wir haben jegliche Lebensfreude verloren. Wir haben uns entschlossen, unserem Dasein ein Ende zu bereiten. Doch das würde unserem Sohn schaden. Er würde daran zerbrechen. Also müssen Sie eingreifen. Sie müssen ihn dazu bringen, zu denken, dass wir schwer krank waren, aber glücklich. Und er war ebenfalls froh, uns glücklich sterben zu sehen. Mehr ist es nicht. Eine simple Erinnerung.“
Es war nicht leicht für den Anzugträger, nun die Ruhe zu bewahren, da er sich nahe einer Grenze befand, die man Verzweiflung nennt. Was die beiden von ihm forderten, war kein simpler Auftrag, es wäre ein Werk gewesen, was er nicht jeden Tag vollbringt: Eine Inception.
Marston musste sich hüten, er musste seine Gedanken sortieren. Er wollte die richtige Entscheidung treffen. Er musste seine ungewollte wüste Reaktion daran hindern, seinen Verstand aufzuessen. Es war verwunderlich, dass eine solche Bitte eines alten Ehepaares den Architekten so in Wallung bringen konnte, doch auch wenn er eine beachtliche Summe Geld für jeden Auftrag erhielt, so wusste er immer, welch Aufwand für die jeweiligen Ziel notwendig sind. Und just in diesem Moment war es Marston egal, ob der Sohn dieser Leute nicht traurig über den Tod seiner Eltern sein sollte. Es war doch etwas völlig normales, dass Kindern den Tod nachtrauern? Welches Kind tat dies nicht? Er trauerte jeden Tag dem Tod seiner Eltern nach. Und daher war es unverständlich für ihn, weshalb er dies machen sollte.
Doch das Geld sprach dafür. Denn der Mann registrierte, dass Marston sich nun doch gesetzt hatte und sich um sich zurückzuhalten in den Sessel gedrückt hatte. Er wollte den Architekten beschwichtigen: „Hören Sie, die Bezahlung ist gut. Ich gebe ihn all mein Geld. Ich brauche es danach eh nicht mehr. Ich möchte nur für die Zukunft meines Kindes sorgen.“
Marston wurde hellhörig. „Von welcher Summe reden wir hier?“  Es war für ihn eine selbstverständliche Frage. Denn für ihn drehte es sich bei seinen Aufträgen immer nur um das Geld. Die Antwort kam prompt: „Mein Privatvermögen beträgt zurzeit 75 Milliarden Jewel (Anmerkung: 100 Jewel sind in etwa 1 US-$). Das sollte ausreichen, denke ich.“ Es war eine unerwartete Reaktion für den alten Mann. Denn Marston schüttelte den Kopf. „Damit kommen wir nicht ins Geschäft. Bevor Sie meckern... Lassen Sie mich eines sagen. Sie wollen, das sich bedingungslos Ihren Wunsch erfülle. Sie wollen, dass ich eine Inception durchführe, einen äußerst schwierigen Auftrag. Und das ist auch noch einer, den ich alleine nicht bewerkstelligen kann. Dafür brauche ich ein Team. Ich benötige Helfer, verstehen Sie. Ich habe zwar einige Kontakte, aber diese müssen auch honoriert werden. Wenn diese denn überhaupt in einem solch kurzen Zeitraum verfügbar sind. Ich erwarte also 100 Milliarden Jewel. Und keine weniger. Ich erfülle den Auftrag in den nächsten Tagen, sobald ich mir meine Unterstützung gesucht habe. Betrachten Sie den Aufschlag als Stundenlohn für meine Rekrutierungsarbeit. Sie haben nun die Möglichkeit darauf einzugehen oder abzulehnen. Ich reiche Ihnen meine Hand.“ Der Handschlag erfolgte, nachdem das Ehepaar sich kurz angeschaut hatte und den finanziellen Aufschlag verdaut hatte. „Ich werde einen Teil aus meiner Firma abzweigen. Sie kriegen das Geld.“
Marston erhob sich und richtete seinen Anzug. „Ich erwarte morgen die Hälfte bei mir. Sie kennen die Adresse. Den anderen Teil hole ich mir nach erfolgreichem Auftrag. Ich werde sofort zu Ihnen kommen, da ihr Sohn sich noch im Schlaf befinden muss. Sie müssen sich also noch vor dessen Aufwachen umbringen. Nach der restlichen Bezahlung natürlich. Halten Sie die zweite Hälfte des Geldes also bereit, und auch ihr Gift oder womit auch immer Sie sich von dieser trostlosen Welt verabschieden wollen...“
Damit ging der Anzugträger aus dem Raum. Er nahm noch eine bereitgestellte Akte über die Daten des Sohnes mit. Das würde seine Recherche vereinfachen, aber nicht ersetzen. Vor dem Tor des Grundstücks entschied er sich zu Fuß einen Spaziergang zu machen. Denn er musste nun seine Kontakte überprüfen. Was diese alten Leute  ihm für Probleme bereiten können. Also wirklich! Schlimm ist das! Als hätte Marston nicht schon genug Sorgen. Dennoch entscheiden sich die Mitbürger ihn zu nerven. Marston hatte generell nie etwas gegen Mitbürger. Einige seiner besten Freunde waren Mitbürger...
Doch Freunde waren sie nicht wirklich. Es waren eher flüchtige Kontakte, meist beruflicher Natur. Für Marston begann also ein Suchspiel. Nebenbei musste er sich überlegen, woher er dieses Mal ein Schlafmittel beziehen würde. Denn die Erinnerung kann er nicht in einer Stunde schaffen. Der Sohn des Ehepaares müsste wohl einen Tag durchschlafen. Am besten am nächsten Wochenende, damit andere Leute sein Fehlen nicht bemerken. Dafür käme nur das Gift namens „Siebenschläfer“ in Frage. Und dieses müsste er sich bei „ihm“ besorgen. Und genau das war einer seiner „besten Freunde“. Auch er war ein Mitbürger. Doch er konnte ihn partout nicht leiden. Marston wusste schon jetzt, dass der Auftrag zwar eine Ablenkung sein würde, doch beschwor dieser nur andere Sorgen. Er sorgte dafür, dass seine ursprünglichen Probleme nur temporär hinuntergespült würden wie der Inhalt seiner Whiskeysammlung in seinen Rachen, wenn er sein Leben an schlechten Tagen nicht mehr ertragen möchte.
Der Architekt ging die Straßen des Viertels entlang. So langsam zeigten sich, da der Mittag nahte, deutlich mehr Menschen auf der Straße. Dies war auch kein Grund zur Freude. Man müsste auf diese Achten, manche vielleicht sogar grüßen. Für Marston nur eine lästige Energie- und Zeitverschwendung. Nach und nach gelangte er an den Rand des Reichenviertels und er bekam es also nun mit dem allgemeinen Fußvolk zu tun. Auf diese hatte er ebenso wenig Lust. Nicht weniger als bei den Reichen. Denn das war kein Unterschied. Sie alle waren das gleiche Übel. Die Menschen, die von seiner Fähigkeit wussten, dachten in der Regel, dass es eine Gabe wäre. Er könnte Leute glücklich machen, den Schmerz vergessen lassen, ganze Lebensläufe in den Erinnerungen der Leute umändern. Eine bessere Welt wäre möglich. Doch da irrten sie sich. Marston konnte diese Neider nur in sein geistig existierenden Buch „Das Buch der schlechten Menschen“ aufnehmen. Gut, in diesem würden sicherlich alle Menschen stehen, auch er. Denn Menschen konnten nicht gut sein. Menschen nahmen andere Leute ihr Hab und Gut, ihr Leben. Und  sie sind nur auf sich selbst fixiert. Wie soll denn da ein Miteinander möglich sein? Kein vorgespieltes, heuchlerisches Miteinander, sondern eine wirkliche Gemeinschaft, dass allein durch ein Sozialverhalten zusammengehalten wird. Die zentrale Bindungskraft zwischen der Interaktion dieser zahlreichen Mitbürger. Ein Wunschdenken...
Marston setzte sich auf eine Parkbank an einer von zahlreichen Bäumen gesäumten Alle am Rande des Viertels. Hier wollte er nun klare Gedanken fassen und sich bewusst machen, wen er denn anheuern würde. Er warf einen Blick auf die Akte mit einstelliger Seitenanzahl. Die Lektüre war nach wenigen Minuten beendet. Der Architekt konnte sich nun eine erste Meinung bilden. So vermutete er, dass ein bis zwei Leute würden schon nötig sein würden, um den Auftrag lösen zu können, genau genommen um die Erfolgschancen hoch zu halten. Eine Garantie gab Marston nie. Das konnte er auch nicht. IM Falle des Scheiterns berechnete er lediglich 25% der Geldsumme. Er fand das menschlich. Diese Summe war tragbar für seine Bemühungen.
Dennoch muss man sagen, dass seine Erfolgsquote auch sehr hoch lag. Denn bei Aufträgen konnte er sich immer vorbereiten und Pläne entwickeln. Es war keine Situation wie ein Kampf gegen einen Magier, der ihn attackiert. Natürlich ist es ihm möglich, den Magier links stehen zu lassen, doch wenn er wirklich etwas erreichen will, wenn er nachhaltig gegen diesen stümperhaften Magier agieren will, dann muss eben auch Dream-Sharing durchgeführt werden.
Jedenfalls bog die Parkbank an der Allee ihm ein halbwegs gelungenes Ambiente, wo er seine Gedanken sortieren konnte. Er hätte dies so schön tun können, wären da nicht andere Leute, die hier und da mal auftauchten und in sein Sichtfeld gelangten. Wieso müssen diese Menschen eigentlich immer nach draußen gehen und sich zeigen? So schön sind die meisten von ihnen weiß Gott denn auch nicht! Das wären wohl Marstons Gedanken dazu. Kein „Ach wie schön, dass die Leute den Tag genießen.“ Das wäre zu fröhlich. Hier hatte man es mit einem Pessimisten zu tun, der sich selbst wohl als realitätsnaher Realist sah, sozusagen den Nährwert für die mathematische Definition des Alltages. Seine Meinung würde schon stimmen. Seine Meinung wäre schon richtig. Bislang hat sich in den 33 Jahren seit dem Vorfall auch nichts getan, was ihn davon hätte abbringen können. Sein Deutungsweg war gering, beengt, ein schmaler Pfad, kaum breiter als eine Fahnenstange. Doch diese Ansichten, die er hatte, sie hielten sich hartnäckig, als würde mit einem Netz und doppeltem Boden dafür gesorgt werden, dass er nicht von diesem hinunterfällt. Wenn er fällt, dann hält ihn das Netz und am besten ist es wie ein Trampolin, das ihn wieder auf den Pfad seiner Ansicht zurückschleudert, ihn – so könnte man doch sagen – dort gefangen hält, auf immer und ewig. Wieso kam denn keiner und zerschnitt dieses Netz? Mochten alle denn diese beengenden Netze?
Doch genug von Pfaden und Netzen... Es ging hier um den Auftrag, der ihn beleben sollte, erfrischen sollte. Und diese frische wurde von der kühlen Luft mit dem Wind zu ihm gebracht. Ein Wind, der durch den Grünstreifen neben dem Bürgersteig fegte und die verwelkten Blätter der Pflanzen herunter fegte. Das alte verließ die Bühne, nun war Platz für frische, neue Blätter, für neue Eindrücke. Platz für neues war immer gut. Es war ein dynamischer Prozess, ein Austausch zwischen neuem und altem. Ohne bestehendes kann keine neuere Form davon entstehen. Und ohne neues kann das Alte nicht für seine Erhaltung sorgen. Wandel ist eine leichte Form, sich in der Welt zurechtzufinden und nicht unterzugehen. Und obwohl bei Marston kein Sinneswandel in seinem Leben festzustellen, war er noch da, bestand er immer noch. Doch gerade etwas Frische täte ihm gut.
Und mit dieser Windböe, die den frischen Wind gebracht hatte, erschien zeitgleich anscheinend eine Person am Horizont. Eine junge Frau lief die Allee entlang. Würde diese Marstons Horizont erweitern können?

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Beitrag von Gast Mo Sep 30, 2013 12:39 am

cf: Festplatz

Die Menschen hetzten von einem Termin zum nächsten und vergaßen dabei die eigentliche Bedeutung von Zeit, weil sie selbst keine mehr besaßen. Dabei konnte man Zeit weder verkaufen, noch verlieren. Ganz unabhängig vom Gemütszustand oder der Tätigkeit verging die Zeit stetig und hatte nichts übrig für Kompromisse. Und trotzdem schien es als wären sie alle so gehetzt weil sie versuchten, sie wieder zu gewinnen. Das Leben der Menschen, nicht nur in dieser Stadt sondern auch anders wo, verlief Lucifer zu stressig. Die Menschen schenkten ihr nicht mal einen Blick, als sie an ihr vorbei liefen. Dafür reichte ihr Zeit nicht. Kein Wunder also, dass die Grünhaarige ihre Zeit lieber außerhalb der Städte verbrachte und sich mehr in die Natur zurück zog. Dort spielte die Zeit keine Rolle, denn dort gab es keinen, der sie verschwenden könnte. Mit einem Kopfschütteln steuerte die junge Magierin ihr Ziel an. Es war wirklich nichts, womit sie sich lange befassen wollte. Denn dafür war ihr ihre Zeit zu schade. Es war auch keiner der Aufträge die sie im Normalfall übernahm. Dafür war sie sich wahrlich zu schade. Und es gehörte auch nicht zu den Aufgaben der Gilde, sich um so einen Dreck zu kümmern. Was genau sie dazu getrieben hatte, dieser Bitte nachzukommen wusste sie auch nicht. Vielleicht lag es an den großen Reh-Augen des kleinen Mädchens, die sie so bittend angestarrt hatten. Das musste es gewesen sein. Denn auf das Flehen der Mutter jenes Kindes gab Lulu sicherlich nicht. Ob es nun rechtens war, um was sie gebeten wurde oder nicht, spielte dabei auch keine Rolle. Das Gesetz war noch nie eine von ihren Schwächen gewesen. Tatsache war, dass ein gewisser Jemand einem gewissen Kind noch eine Menge Geld schuldete. Oder besser gesagt deren Familie. Lief für Lucifer aufs gleiche hinaus. So blieb sie vor einem Gebäude stehen, dessen Aufschrift mit goldenen Lettern verriet, dass es sich um ein scheinbar teures Geschäft handelte das Ton und Porzellan vertrieb. So räusperte sich die junge Dame und öffnete die Tür, um das Geschäft zu betreten. Einige Minuten geschah nichts, was nach außen hin Aufmerksamkeit erregen könnte. Der Tag der Menschen nahm seinen natürlichen Lauf und keiner achtete auf das kleine Geschäft in der Reihe von vielen. Bis es dann auf einmal laut schepperte und das Geräusch von zerbrechendem Porzellan ertönte. Es unterbrach die Stille, als hätte ein Geigenspieler sich im Ton vergriffen. Wirklich nicht angenehm und vor allem äußerst ungewöhnlich. Denn kurz darauf erschallte eine aufgebrachte, hohe, ja beinahe piepsige Stimme. Dessen Klang alleine mochte dem einen oder anderen ein amüsiertes Schmunzeln aufs Gesicht zaubern. Immerhin wollte die Stimme nicht zu der Gestalt passen, die nach einigen Augenblicken aus dem Laden gestürmt kam. Im Schlepptau die Grünhaarige, die sich gegen den Türrahmen lehnte und die Arme vor der Brust verschränkte. Einige Sekunden schien sie dem sehr kurz geratenem, dicklichen Mann zuzuhören, ehe sie ihren Blick zu dem Regal wand, das neben dem Geschäft stand. Dort waren noch einige Vasen angeboten und bettelten praktisch darum, zu Bruch zu gehen. Der mutmaßliche Verkäufer schien ihren Blick richtig zu deuten und hielt mitten im Schwall seiner Beschimpfungen an, als hätte er seine eigene Zunge verschluckt. Nicht mal einen erstickten Protest brachte er heraus, als Lucifer ihre zierliche Hand an das Regal legte und es mit einem kräftigen Schubser in sich zusammen fallen ließ. Der Lärm war wirklich Ohren betäubend und die Scherben verteilten sich auf den Asphalt, wiegten sich seelenruhig im Wind, vergaßen dabei ihre ursprüngliche Form die sie wohl nie wieder annehmen würden.

[Out: Ich hoffe das ist nervig genug.]

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Beitrag von Gast Di Okt 01, 2013 2:07 pm

[Out: Passt schon. Wink]
Was ist nervtötend? Reicht es aus, wenn ein Mann gehetzt an einem vorbei läuft und einen anrempelt? Ist das für einen nervtötend? Oder muss jemand schon mit seinem magischen Vierrad bei regnerischem Wetter die Pfütze, ausgebreitet im Schlagloch der Straße, ansteuern und das verdreckte Wasser ans Hosenbein der Passanten befördern? Ist das nervtötend? Vielleicht. Geht man von dem reinem Wortbegriff, ungeachtet seiner gesellschaftlichen Begrifflichkeit aus, dann würde es bedeuten, dass ein Ereignis oder eine Personen einem die Nerven abtötet, einem die Nerven raubt. Folglich raubt sie einem dem Verstand. Und bezieht man dies nun auf diese junge Frau, die dort die Anwesenden hellhörig werden lässt, so ist dies nicht nervtötend. Denn Marston, einer der Anwesenden, wird nicht seines Verstandes beraubt. Doch er empfindet diese Frau als nervig. Nervig... eine Abstufung von nervtötend. Diese Frau hat es somit nicht geschafft, den Architekten auf die Palme zu bringen (obwohl es auf der Allee nur Buchen gab), sondern nur seine Aufmerksamkeit erlangt. Dies aber wiederum gegen den Willen Marstons. Folglich war sie ein Ärgernis, ein menschliches Wesen welches die überflüssige Gesellschaft in Marstons Leben verkörperte. Diese Komponente war nicht zu achten. Doch manchmal musste man darüber hinweg sehen. Denn wenn er sich nicht auf seine Denkarbeit fokussieren konnte, wenn er es nicht vermochte, seiner Arbeit nachzugehen, dann musste das Ärgernis weg. Und hier war nun die einzige Frage: Wie? Nicht ob es klappt. Das Ende, der Ausgang, war für den Anzugträger schon vor dessen Ablauf klar. Er irrte sich nicht. Hierbei nie. Es ging nur um die Frage der Umsetzung, der verfügbaren Lösungswege und der benötigten Mittel. Der Weg des geringsten Widerstandes? Oder der Weg des Barmherzigen? Oder der Weg des Marston?
Die junge Frau schien der Ansicht zu sein, sie wäre das Zentrum der Welt. Gut, vielleicht war sie das Zentrum ihrer Welt. Doch mehr auch nicht. Wie konnte diese Frau sich einbilden, dass sie es wert wäre, sich so aufzuspielen und die Aufmerksamkeit aller zu erregen. Das einzige, was sie hier mit einer Leichtigkeit bewegen konnte, dass war Hass und Argwohn. Und Marston stand mit seiner pessimistischen, antihumanen Einstellung nicht nur systematisch für diese Gefühlserregung, er verkörperte sogar ihr Extremum. Marston ging hinüber zum Eingang des Ladens.
Für einen Moment war er gewillt mit Lullaby die Geschichte zu Ende zu bringen. Doch so besonders er war, es wäre nicht seine Lösung gewesen. Diesen Weg hatte er schon zu oft gewählt, zu oft in seiner Vergangenheit, zu oft in seinem Alltag. Er wollte variieren. In dieser trostlosen Welt sollte er nicht ebenso trostlos, gleich agieren, wie immer. Eine monotone Welt sollte für ihn nicht bedeuten, dass er immer monoton handeln solle. Und so war das nächste Mittel, welches ihm in den Sinn kam, ein paar deutliche Worte zu sprechen: „Für dein Alter brauchst du hier nicht solch einen Krach zu machen, Kleines. Wenn du denkst, du wärst es wert, dann irrst du dich. Diesen fetten Dickwanst hier zur Schnecke zu machen, ist kein Unding. Und das ist auch äußerst leicht fertig zu bringen. Warum musst du also so laut sein und gepflegte Menschen mit involvieren? Ich erwarte darauf keine Antwort. Denn wenn du fortan ruhiger agierst, dann reicht mir das. Ich habe Aufgaben zu erledigen. Also zeige den anderen Leuten Respekt. Sonst bereust du es.“ Marston zog sich seine Krawatte zurecht und deutete mit zwei Fingern an, dass er sie im Auge hat. Mit ihm würde sich nicht spielen können wie mit dem diesem Nichtsnutz von Verkäufer. Da war er sich sicher. Dafür sprach vieles. Er drehte sich um und ging zurück zu seiner Bank.

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Beitrag von Gast Fr Okt 04, 2013 12:20 pm

Nur schwer konnte Lucifer ihren Blick von den am Boden liegenden Scherben lösen. Einzig und allein die Tatsache, dass sich Jemand ihnen zu nähern schien Grund für sie zu sein, ihren Kopf zu heben und die fremde Person genauer zu betrachten. Augenscheinlich ein Mann im mittleren Alter. Schon allein seine Gangart, sein Blick, ja seine ganze Erscheinung ließen auf einen langweiligen Zeitgenossen schließen. Lucifer stellte sich schon auf eine Predigt ein, wie ein kleines Kind das von einer alten Schachtel blöd angemacht wurde, weil es etwas zu laut gespielt hatte. Gott, wie hasste sie diese Menschen. Warum wurden Menschen überhaupt so alt? Irgendwann waren sie ja nur noch Last für jene, die etwas erreichen und erleben wollten. Kaum kam der Fremdling vor ihnen zum stehen, verschränkte die junge Magierin demonstrativ die Arme vor der Brust und hob eine Augenbraue an. Was dachte er sich eigentlich sie anzusprechen und sich in ihre Angelegenheiten einzumischen? Das war noch so ein Problem mit alten Menschen. Sie hatten einfach nichts besseres zu tun, als ihre Nase in Dinge zu stecken die sie nichts angingen. Schon bei den ersten Worten, die aus seinem Mund kamen, verdrehte Lucifer die Augen und stellte sich auf taub. Wenn man sich als Kind jeden Tag etwas anhören durfte, dann entwickelte man eine gewisse Resistenz gegen Worte und verlor jeglichen Respekt vor anderem Leben. Richtig. Lucifer besaß so etwas nichts. Jemand mit guter Menschenkenntnis hätte es wohl auf den ersten Blick gesehen. Da würde auch nicht so ein daher gelaufener Anzugträger etwas dran ändern. Während der Ansprache hatte Lucifer den dicklichen Verkäufer betrachtet, wie er vor den Scherben kniete und vergeblich versuchte, sie wieder zusammen zu setzen, wohl wissend, dass es niemals funktionieren würde. War das echte Verzweiflung? Es hatte nichts gemein mit den flehenden Ausdruck der Menschen, die am Rande des Abgrundes standen und den sog der Tiefe am eigenen Leibe spüren konnten. Erbarmen oder Mitleid war hier fehl am Platz. Nun jedoch setzte sie ein Lächeln auf, als der Fremdling vor ihr endlich aufgehört hatte zu sprechen. Er hatte ja auch lang genug ihre Zeit in Anspruch genommen. Bei den letzten Worten war sie allerdings hellhörig geworden. Bereuen? Der Anzugträger schien nicht nur eine Moral-Apostel zu sein, nein, er schien auch noch ein extrem großes Ego zu haben. Zugegeben, Lucifer war was körperliche Stärke betraf ohne ihre Take Over Magie auch nicht wirklich enrst zunehmen, aber ein gebrechlicher, alter Mann? Es war schon immer Lulus größtes Manko gewesen, andere zu unterschätzen. Doch bis jetzt war sie immer mit heiler Haut davon gekommen. Warum sollte sich das jetzt ändern? Dafür gab es keinen ersichtlichen Grund. Langsam entfernte sich der Mann wieder und lies Lucifer endlich zufrieden. Er war zu kurzsichtig. Für ihn war die Grünhaarige nur ein kleines Mädchen, dass Aufmerksamkeit brauchte, wie so viele Menschen auf dieser Welt. Schultern zuckend wand sie sich wieder zu dem Verkäufer, der sich mittlerweile gefangen hatte und vor ihr aufgebaut hatte, ihr gerade mal bis zur Brust reichte. Belustigt legte die Magierin den Kopf schief und bevor er überhaupt ein Wort sprechen konnte, brach Lucifer ihm kurzerhand die Nase. Damit hatte sich die Sache für die junge Frau erledigt und sie konnte sich wieder anderen Dingen zuwenden. Zum Beispiel ihrer Langeweile. Man hatte sie zudem neugierig gemacht. Ohne groß zu überlegen – wozu Zeit verschwenden? – schritt die Magierin zu der Bank und schwang sich über die Lehne, so dass sie auf dieser saß und stützte ihre Arme auf ihren Oberschenkeln ab, spielte mit einer langen, grünen Haarsträhne, wand ihren stählernen Blick zu dem Anzugträger. „Bereuen, hm?“

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Das Reichenviertel Empty Re: Das Reichenviertel

Beitrag von Gast Sa Okt 05, 2013 9:31 pm

Es war wie verhext. Da hatte man versucht wie ein kluger, rational denkender Mensch – eben nicht so wie die meisten – zu handeln und auch nachsichtig zu sein. Und was war? Die Jugend lehnte sich auf! So etwas gehörte sich nicht. So etwas war nicht richtig. Und das hätte die grünhaarige junge Frau auch wissen müssen. Doch sie tat es nicht. Wieder ein Beweis für die Unkenntnis dieser verlorenen Gesellschaft! Wieder einmal der Beweis, dass alles untergehen würde. Die Welt sank seit Jahren hinab, nur merkte es keiner...

Marston hatte durchaus registriert, dass die junge Frau dem Verkäufer das Riechorgan gebrochen hatte, doch das interessierte ihn nicht. Kern der Sache war hier einzig und allein die Tatsache, dass die junge Frau in ihrem merkwürdigen, braun-schwarzen Outfit sich auf die Lehne der Bank setzte und Marston zu provozieren versuchte. Marston hatte schon einmal den guten Weg versucht. Hatte er heute einen guten Tag? Würde es sich lohnen, es ein zweites Mal zu versuchen? Nein! Das würde es nicht. Doch irgendetwas in ihm befahl, es doch zu tun. Und so versuchte er wieder den rationalen Weg und nicht den Umgang mit Lullaby. Wenn es dieses Mal scheitern würde, dann würde er ihr zeigen, woran sie wäre: „Hör mir zu, Fräulein. Vor dir sitzt ein einflussreicher und wichtiger Mann. Ein Mann, der mit dem, was er hat, wenn er wollte, einen Sicherheitsdienst beschaffen könnte. Einen so guten, die würden dir deinen Arsch versohlen, dann nochmals draufhauen und dann dafür sorgen, dass du nicht mehr stehen kannst. Damit du dich setzen müsstest. Und die darauffolgende Woche würdest du vor Schmerzen schreien. Du würdest dir deine kleine, beschissene, aufbrausende Seele aus deinem beschissenen Leib schreien! Willst du das?“ Marston blätterte die Seite des Berichtes über sein Auftragsopfer um. Er wollte nicht wie ein Geschäftsmann mit dem neuesten Wirtschaftsbericht wirken, doch wollte er signalisieren, dass er wirklich beschäftigt war. In Wahrheit kannte er den Bericht schon auswendig. Er brauchte die Papierseiten nicht mehr.
Es kam nun die Zeit, nach der stilvollen Redepause, um die letzten, wirksamen Worte – so hoffte er – zu ergänzen: „Ich bin auf einen solchen Sicherheitsdienst aber gar nicht angewiesen. Denn wenn ich wollte, dann würdest du schon um deinen Tod betteln. In deiner Traumlandschaft hier, da lebst du nicht mehr lange, wenn ich dem so will. Und anscheinend träumst du gerne. Stimmt das? Träumst du gerne?“ Er forderte sie heraus. Doch anscheinend war es ihr egal. „Sag es mir, träumst du gerne. Denn wenn du das möchtest, dann verwandle ich dir dein Leben in einen Albtraum, Kleines!“
[Out: Es ist mir egal, wie Lulu reagiert. Sie wird sicherlich nicht beeindruckt sein. Aber egal wie du nun reagierst, es wird auf das gleiche am Ende hinauslaufen. Denn das ist der Plan. Nicht von Marston, sondern von mir.]

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Beitrag von Gast So Okt 13, 2013 7:26 pm

Kaum machte der Anzugträger den Mund auf, stahl sich wieder ein belustigtes Lächeln auf die Lippen der jungen Frau. Mit Fräulein wurde sie selten angesprochen. Als wäre sie ein verzogenes Rotzgör. Nun, vielleicht mochte sie auch den Eindruck nach Außen hin vermitteln und wenn sie ehrlich mit sich und ein paar Jährchen jünger gewesen wäre, dann hätte die Bezeichnung durchaus zugetroffen. Doch so amüsierte sie die junge Frau nur. Doch das beste sollte noch kommen. Er, der einflussreiche und wichtige Mann, drohte ihr. Dabei stellte sich doch die Frage, wie er es überhaupt zu so einem gesellschaftlichen Niveau gebracht hatte, wenn er nicht mal Lucifer beeindrucken konnte. Dabei war es nicht seine Schuld. Er könnte die Welt auf seinen Schultern tragen und würde trotzdem keinen Respekt von ihr ernten. Mit einem Räuspern verhinderte Lucifer, dass sie kichern musste und drehte die grüne Locke um ihren Finger, betrachtete ihre Haarspitzen und hob eine Augenbraue, so als würde sie sich ganz auf ihre Haare konzentrieren und sich darüber wundern, dass sie überhaupt welche hatte. Für einen kurzen Moment war es einfach nur still. Entweder der alte Mann müsse erstmal seinen Puls beruhigen, damit er nicht gleich einen Herzinfarkt bekam, oder aber er hatte vergessen was er sagen wollte. Sollte ja vorkommen in dem Alter. Da wurden die Menschen eben senil und konnten sich glücklich schätzen, wenn sie nicht in ihren Schlafanzügen auf die Straße traten, weil sie vergessen hatten, sich etwas anzuziehen. Anscheinend hatte der Fremde seine Stimme wieder gefunden und versuchte ihr zu verklickern, dass er überhaupt Niemanden bräuchte, um sie fertig zu machen. Na, da wurde Lucifer hellhörig. Abschätzend wand sie ihm ihren Blick zu und musterte ihn. Was wollte er tun? Sie mit seinem nicht vorhandenen Krückstock verprügeln? Mit einem Seufzen schüttelte sie bei seinen weiteren Worten nur ihren Kopf und schloss ihre Augen dabei. Spaß bei Seite. Die Magierin schien dem Fremden ziemlich auf die Nerven zu fallen, wenn er sich schon so in Rage redete. Klar, wirklich ernst nehmen tat sie ihn nicht. Aber sie war auch nicht so blöd, ihn von Anfang an immens zu unterschätzen. Denn irgendwoher musste er sein Selbstvertrauen nehmen. Auch wenn hier genug Magier rum rannten, die große Stücke auf sich hielten und wenig zu bieten hatten. Er sprach von Träumen. Etwas, was Lulu schon lange nicht mehr kannte und dementsprechend konnte sie nicht viel mit seinen Worten anfangen. Es klang wie eine rhetorische Frage, weshalb sie nicht antwortete. Wollte er ihr jetzt eine Predigt darüber halten, dass die Jugend ihre Köpfe immer in den Wolken hatte? Na, darauf konnte sie gut verzichten. „Oh man.“ flüsterte sie leise und verdrehte ihre Augen, nachdem sie ihre Lider wieder geöffnet hatte.Der Anzugträger bot ihr an, ihr Leben in einen Alptraum zu verwandeln. „Na dann mal los. Versuchs.“ forderte sie ihn auf und machte dabei eine wegwerfende Handbewegung, so, als könnte sie gerade noch eben so Zeit für seine kleinen Zaubertricks aufbringen. Wieder stützte sie ihren Ellbogen auf ihrem Oberschenkel ab und stützte ihren Kopf in ihre Handfläche, hob abwartend die Augenbraue. Also, wenn Lulu genau drüber nachdachte, fand sie diese Situation recht amüsant und unterhaltsam.

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Beitrag von Gast Fr Okt 18, 2013 10:58 pm

War es denn so schwierig nachzugeben? Ernsthaft! Wieso um alles in der Welt musste sich diese junge Frau wie eine pubertäre Göre verhalten. Zudem noch so, als hätte sie vom Arzt irgendwelche Pillen für zusätzliches Selbstbewusstsein bekommen. Sie war jedenfalls von diesem vollgetankt. Und für Marston war das gleichgesetzt mit einem anderen Adjektiv, einem Zustand, den er wie eigentlich alles in der Welt verachtete. Das gesuchte Synonym war: Überheblich.
Ja genau, das war sie – aus Marstons Sicht. Von allen schlechten Eigenschaften landete diese Missgunst bei einem selbst erdachten Ranking sicherlich in den Top 15, vielleicht würde es sogar einstellig. Überheblichkeit. Was sagte das denn schon alles aus über einen Menschen. Es sagte alles, aber auch nichts. Eine Eigenschaft, von der aus man auf so viele andere Charakterzüge schließen konnte, doch war es auch manchmal nur ein voreiliges Mittel zur unmittelbaren Kategorisierung. Eine falsche Prämisse, eine nicht universelle Theorie. Es war ein Gedanke, der laut Marston so zutraf, als könnte man ihn als Wissen bezeichnen oder annähernd der Wissenschaft zurodnen, doch wäre dies nicht geeignet. Marston war beileibe nicht perfekt, doch er hielt sich für das geringste Übel in dieser Welt. Und das größte, zumindest momentan, saß direkt und unmittelbar neben ihm auf der Bank und provozierte ihn weiter. Und das konnte nur eines bedeuten: Nach einer Verwarnung kommt die Strafe. Obwohl es Marston nur Zeit und Kraft rauben würde, musste es sein. Diese Rotzgöre konnte er nicht frei herumlaufen lassen. Sie war ein streunender Hund, der im Inbegriff war sich überall zu bedienen, als wäre die Welt ein riesiger Futternapf. Und wenn der Hund irgendwann mal das eigene Eigentum anrührt, dann schießt man mit der Schrotflinte auf ihn...
Marston faltete die Akte erneut zusammen und legte sie auf seinen Schoß. Dann schmunzelte er herablassend und nickte zu Lucifer. „Na dann, na dann..“ Er klatschte zwei Mal in die Hände und Lucifer schlief urplötzlich ein. Marston war nicht einmal daran interessiert, die grünhaarige Frau zu stützen, da sie nur auf der Lehne saß, doch anscheinend heilt sich ihr schlafender Körper auch von alleine. Glück für die Frau könnte man sagen. Dann berührte Marston die Frau an der Schulter und plötzlich fand Lucifer sich mitten auf einem Acker wieder. Umringt von einem gepflügten Feld gab es nicht außer ihr und... einem Turm. Auf diesem erschien dann recht zügig ein Mann. War es etwa Marston? Ja, eindeutig. Und er hatte ein Gewehr bei sich. Während Lucifer nur auszuweichen konnte, schoss Marston ununterbrochen auf sie. Dann verschwand er nach drinnen und plötzlich wurde Lulu in eine andere Welt geworfen. Lulu hatte keinen Boden unter den Füßen und befand sich im freien Fall. Sie fiel etwa 30 Meter, dann klatschte sie in das Wasser eines größeren Sees. Und plötzlich war es da schon wieder: Ein Schuss. Er traf Lulu. Es war nicht mehr als ein Schlag. Mehr schien Marston nicht beabsichtigen zu wollen. Denn er hatte ganz andere Methoden der Tortur parat. Wieder änderte sich die Welt...
Das Reichenviertel Penrosetreppe_2

Lulu, die Kleidung noch nass am ganzen Körper, konnte diesmal ein besonderes Werk begutachten. Sie befand sich auf einer Treppe. Nur war diese unendliche lang. Sie konnte hingehen, wo sie wollte. Sie konnte weder hinunter noch hoch. Nach etwa 10 Minuten Ungewissheit zeigte sich Marston durch eine geheime Luke an der Wand, etwas oberhalb: „Ich hoffe du verstehtst es langsam, was ich meine. Und wir haben noch mehr Zeit, keine Sorge, Kleines.“ Marston tauschte die Welten fröhlich und er scheuchte Lucifer von einer Situation in die Nächste. Nach etwa 20 Minuten beendete er dieses Spiel.
Denn in der letzten Welt, einer weißen Einöde, die wirklich nur weiß war, nichts sonst. Trat er zu ihr. „Hier endet mein Versuch. Du solltest merken, mit wem du dich anlegst. Ich kann Gott spielen, wenn ich will. Ich kann nahezu alles anstellen. Und du meinst, ich bin ein alter Mann? Wie töricht von dir!“ Er klatschte zwei Mal in die Hände und plötzlich wachten beide wieder unversehrt auf der Parkpank auf. Keiner war verletzt, Lucifers Kleidung war nie nass gewesen. Es war alles nur ein Traum gewesen. Ein verdammt sonderbarer. Und Marston hatte gezeigt, was er auf dem Kasten hatte. „Ich kann noch mehr. Und ich bluffe damit nicht. Also solltest du mich nicht herausfordern. Ich habe einen Job zu erledigen. Das ist nichts für unreife Gören wie dich.“
Dass Marston doch pokerte, konnte die grünhaarige Frau nicht wissen. Doch hatte er schon ein erhebliches Maß an Risiko eingehen müssen, um so überzeugend zu sein. Marston konnte in die Träume anderer eindringen. Er konnte andere aber auch in seine Traumwelt mitnehmen, in der er gottgleich war. Hilft nur rein gar nicht bei Aufträgen und sonstigen Belangen, da es hier kein Opfer keinen Schläfer geben kann. Mit dieser Methode ist er zwar so mächtig wie sonst nie und kann fats alles machen, aber er kann nicht auf den Verstand des anderen zugreifen. Man hat es sich so vorzustellen, dass diese Art von Dream-Sharing wie eine Sandkastenfunktion bei einem Spiel ist. Sie ist kein eigentliches Level, dient zu keiner Mission. Du spielst unter vereinfachten Bedingungen und hast unbegrenzte Möglichkeiten... aber du kannst damit nichts für den wesentlichen Teil, für die Missionen anfangen.
Mit all dieser List und Täuschung versuchte Marston die Frau loszuwerden. Sie musste in jedem Falle beeindruckt sein. Nur was würde sie daraus machen?

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Beitrag von Gast So Nov 03, 2013 7:19 pm

Ein amüsiertes Lächeln zeichnete sich auf den Lippen des alten Mannes ab, ehe er seinen Kram bei Seite packte. Mehr oder minder gespannt betrachtete Lucifer das Geschehen und blickte den noch immer Fremden erwartungsvoll an. Dieser klatschte in die Hände und als der Klang des letzten verhallt war, hüllte sich die Welt der Magierin in Schwarz. Ihr Körper verharrte in der sitzenden Position und nur ihre Augenlider senkten sich, als sie sich unfreiwillig auf die Reise begab.
Zu sich kam die junge Frau im Dreck. Das fing ja schon mal gut an. Geblendet von dem Licht, brauchte es einige Sekunden, bis sich die Umrisse ihrer Umgebung aus dem Weiß heraus schelten. Einige Ellen von ihr entfernt ragte ein Turm empor, der sie stark an ein Märchen erinnerte. Mit schräg gelegtem Kopf und skeptischen Blick wartete sie auf das Erscheinen der 'Prinzessin'. Die ließ auch nicht lange auf sich warten. Was soll der Scheiß..? schoss es Lucifer durch den Kopf, als sie die in die Jahre gekommene Rapunzel in Form des alten Knackers mit einer Schrotflinte, oder etwas ähnlichem, sah. Moment mal! Zielte er gerade etwa auf sie?! Ehe die Grünhaarige wusste, wie ihr geschah, spürte sie auch schon den Windzug des ersten Geschosses an ihrer Wange, das sie nur knapp verfehlt hatte. Ein wenig perplex blinzelte sie den Anzugträger an, als er auch schon das zweite mal den Abzug betätigte. Möglicherweise hätte er diesmal getroffen, wäre Lucifer nicht ein wenig unbeholfen nach links getaumelt. Rapunzel hatte wohl ihre Tage. Kaum war dieser Gedanke zu Ende gedacht, schubste man sie in die Dunkelheit, die sie vollkommen umfing.
Kein Wind zerrte an ihren Haaren oder ihrer Kleidung und doch war sich Lulu vollends bewusst, dass sie fiel. Diese Tatsache beunruhigte sie nicht, sondern sie ließ es zu, war versucht ihre Augen zu schließen und zu warten. Er würde sich schon etwas neues für sie einfallen lassen.
Dieses „etwas“ traf sie unvorbereitet und war gleichzeitig eiskalt. Ihre Kleidung sog sich mit Wasser voll und trotzdem war es ihr ein leichtes, an die Oberfläche zu gelangen. Mit einem extrem unbegeisterten Blick hob sie ihren Kopf und strich sich dunkel gefärbte Haarsträhnen aus dem Gesicht. Nein, Lucifer würde sich jetzt nicht aufregen. Auf dieses Niveau wollte sie sich dann doch nicht runter lassen. Er wollte spielen? Gut. Sollte er sich austoben, so lange er es noch konnte. Immerhin konnte das ganze hier doch wohl kaum real sein, oder etwa nicht? Das es dennoch schmerzhaft sein konnte, lernte sie dann auf die harte Tour, als sich eine Kugel durch das Leder ihrer Kleidung grub, nur um sich durch ihr Fleisch zu fressen und auf der Rückseite wieder heraus zu brechen. Wie angewurzelt blieb die junge Frau stehen, während ihre Hand instinktiv zu ihrer Schulter glitt. Dunkles Blut benetzte ihre Fingerkuppen und der Schmerz klopfte schleichend an die Tür zu ihrem Bewusstsein, ehe er sie plötzlich aufbrach und ihren Verstand füllte, ehe er vollständig geschluckt wurde. Wie in Watte gepackt kam sie aufs Ufer zu und ehe sie es betrat, verformte sich der Boden zu ihren Füßen. Wände wuchsen empor wo vorher nur Schwarz gewesen war und ließen etwas dreidimensionales entstehen. Ohne groß darüber nachzudenken schritt die Magierin die Treppe hoch, die sich vor ihr nach und nach aufbaute, ohne dabei recht zu bemerken, dass es kein Ende gab. Ihr Verstand hatte sich geleert und tauchte sie in Gleichgültigkeit. Bis eine ihr wohl bekannte Stimme an ihr Ohr drang und sie aus ihren Gedanken riss. Langsam blieb sie stehen und hob den Blick, suchte mit ihren grünen Irden den alten Mann, dessen Gesicht sie auch in einer runden Ausbuchtung erkennen konnte. Sie hatten noch viel Zeit? Sie ja. Er würde in ein paar Jahren wohl oder übel den Löffel abgeben müssen. Aber Lucifer musste im Verlauf dieser Aktion doch zugeben, dass sie den Alten unterschätzt hatte. Sie war von etwas physischen ausgegangen. Belustigt über den Gedanken, doch noch einmal überrascht zu werden, trat sie letzten Ende ins Nichts. Wartend blickte sie sich um. Waren dem Anzugträger etwa die Ideen ausgegangen oder hatte er sie vergessen? Wie schon erwähnt: Demenz und so. Als er dann doch zu ihr trat, war Lulu gerade dabei, ihre mittlerweile getrockneten Haare zu ordnen und zurecht zu streichen. Sie wusste auch nicht so recht, was sie erwartet hatte. Denn es kam, wie sollte es auch anders sein, nur eine weitere Predigt bei der Lucifer unweigerlich die Augen verdrehte. Sie hielt ihn für einen alten Mann? Ja, das traf den Nagel auf den Kopf. Beinahe entschuldigend zuckte Lucifer daraufhin nur mit den Schultern, wie ein Schulkind, das seine Hausaufgaben zuhause liegen lassen hatte. Wohl wissen, dass es diese am nächsten tag auch nicht mitbringen würde. Lucifer wollte und konnte sich nicht ändern. Da konnte man noch so oft versuchen sie zu belehren.
Wieder mit sich selbst beschäftigt hatte sie gar nicht bemerkt, dass sie sich wieder im Hier und Jetzt befand. Erst als der Wind mit einer grünen Haarsträhne spielte und ihr sanft die Wange streichelte, blinzelte sie und streckte sich, als hätte sie einen langen Mittagsschlaf gehabt. Das ganze war eine Illusion gewesen, mehr nicht. Das wusste sie, und er wusste, dass sie es wusste. Sie hielt ihn für alt und er sie für dumm. Letzten Endes waren sie gar nicht so verschieden, wie es den Anschein hatte. „Noch mehr? Du meinst, außer an dem Verstand anderer rumzufuschen und dir kleine Spielwiesen zu erdenken?“. Lucifers Blick glitt zu ihrer Schulter, die vollkommen unversehrt war. Wie zum Test, und gleichzeitig zur Demonstration, tippte sie auf die Stelle der vermeintlichen Wunde. Nichts. Kein Schmerz, kein Blut, kein aufgerissenes Fleisch. „Du fügst keinen physischen Schaden zu. Du treibst höchstens in den Wahnsinn. Und was machst du, wenn dein Gegenüber den Wahnsinn bereits mit offenen Armen empfangen hat?“. Obwohl ihre Frage nach Spott klang, rührte sie doch von aufrichtiger Neugierde. Natürlich konnte Lulu nicht erwarten, dass er ihr sein 'Geheimnis' verriet, doch auf einen Versuch lies sie es durchaus ankommen. Sie hatte auch ihre Wege, Menschen in den Wahnsinn zu treiben. Und der Anzugträger schien besonders anfällig für ihre Art von Irrsinn zu sein. Langsam rutschte die junge Frau von der Bank, unschlüssig, was sie nun tun sollte. Eigentlich hätte er es verdient, wenn er die Klinge des Krieges zu spüren bekäme. Andererseits hatte er ihr nichts getan und sie obendrein auch noch gewarnt. Allerdings war Lucifer nicht dafür bekannt, rational zu denken. Und dennoch rührte sie keinen Finger. Noch. „Ich bin übrigens Lucifer. Und du? Soll ich dich weiter 'alter Mann' nennen?“

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Beitrag von Gast Do Nov 21, 2013 3:01 pm

[Out: Mal ein kürzerer Post]

Was sollte das denn? Da wollte der Anzugträger die junge Frau doch dazu bringen, abzulassen und sich einsichtig zu zeigen. Stattdessen forderte sie ihn mit ihrer provokativen Art erneut heraus, wenn auch seltsamerweise eine Vorstellung ihres Namens ergänzt wurde. Das konnte Marston nicht verstehen. Ganz und gar nicht. Es gab keinen Grund sich dieser Person anzuvertrauen. Aber auch gar keinen! Marston hatte genug von ihr. Hier konnte er sich ohnehin nicht mehr konzentrieren. Er warf einen Blick auf seine Mappe, die von seinem Auftrag handelte, und stand dann von der Bank auf. „Mag ja sein, dass du denkst, ich könnte nur Wahnsinn erzeugen und das wirkt bei dir nicht. Doch lass dir eines sagen...“ Marston rückte das Oberteil seines Anzugs zurecht, dann die Krawatte. „Welches ist der widerstandsfähigste Parasit? Ein Bakterium? Oder ein Virus?“ Es folgte eine obligatorische Pause, wie man sie bei solch einer Frage einzusetzen pflegte. „Nein, ein Gedanke. Simpel und komplex zugleich. Ein Gedanke ist resistent und hochansteckend. Wenn ein Gedanke einen Verstand erst einmal infiziert hat, ist es fast unmöglich, ihn zu entfernen. Ein Gedanke, der vollkommen ausgeprägt ist, vollkommen verstanden - der bleibt haften. Und so ist es generell im Kopf. Wenn man Gedanken nimmt, dann nimmt man vieles. Ich kann nicht nur in den Wahnsinn treiben. Ich kann Menschen von Grund auf verändern. Ich kann alles. Und um genau das zu tun, setze ich mich nun in Bewegung. Ich bin ein viel beschäftigter Mann. Kein Gör wie du.“ Er drehte sich um und ging seines Weges. Als Verabschiedung wählte er bewusst folgende Worte: „Und wenn du meinen Namen kennen willst. Ich bin der Architekt.“ Es war nur eine innere Hoffnung, dass Marston von ihr los sein würde. Mit seinem Satz, dieser „Weisheit“, würde sie nur mehr Blut geleckt haben. Das wurde Marston schlagartig bewusst. Mit seiner typischen Verhaltensweise, dem Elend in dieser Welt, also allem, seinen Stempel auszudrücken hatte er ein Eigentor geschossen.

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Das Reichenviertel Empty Re: Das Reichenviertel

Beitrag von Gast Mi Jan 01, 2014 5:28 pm

Bevor die junge Magierin eine Antwort erhielt, blickte der alte Mann sie eine Weile schweigend an, ohne, dass sie aus seinen Augen lesen konnte. Das musste sie allerdings auch nicht. Es schien die plötzliche Resignation zu sein. Es gab Menschen, die konnte man nicht umstimmen oder belehren. Da konnte man sich den Mund fusselig reden, am Ende war man genauso schlau wie vorher. Lucifer war einer dieser Menschen. Sie verstand durchaus wenn man ihr etwas mitteilen wollte, jedoch interessierte sie sich meistens nicht dafür. Oder sie erkannte den Sinn dahinter nicht. Wenn man etwas von ihr wollte, musste man ihr das schon klipp und klar sagen. Oder man hatte sie eben an der Backe. Wie der Anzugträger. Nun, da dieser aufgestanden war ging Lulu davon aus, dass er den Rückzug antrat. Schade aber auch. Sie hatte geglaubt, dass er etwas widerstandsfähiger wäre und seine Nerven belastbarer. Bei seinem Alter müsse das Temperament ja mittlerweile restlos verraucht sein, oder nicht? Nun begann er wieder zu predigen, als wäre Lucifer ein verirrtes Schaf, das man zurück zur Herde führen müsste. Gut für ihn sichtbar verdrehte sie ihr Augen, ehe sie sich ebenfalls aufrichtete und den Schal um ihren zierlichen Hals zurecht rückte, so wie er es vorher mit seiner Krawatte getan hatte. Nun räusperte sie sich, noch während er sprach, und setzte einen interessierten Blick auf.
Ihm müsste bewusst sein, dass Lucifer ihn alles andere als ernst nahm. Auch, wenn er sie als ein Gör bezeichnete, wunk sie daraufhin nur ab. Was sie viel mehr interessierte, war sein Satz davor. Er sinnierte über seine Fähigkeiten, die Lucifer nur bedingt interessierten, bis er davon sprach sie einzusetzen. Das würde sich die junge Magierin doch zu gerne mit ansehen. „Ach?“ fragte sie daraufhin und ein schlemisches Lächeln zierte ihr Gesicht. „Wo gedenkt der Architekt denn hinzugehen?“ fragte sie und verschränkte ihre Arme vor der Brust, ehe sie ihm folgte und bald schon wieder mit ihm Schritt hielt. Die junge Frau hatte nicht gedacht, dass dieser Tag noch so eine amüsante Wendung nehmen würde.
Bevor er jedoch antworten konnte, wand sie den Blick ihrer stahlgrauen Irden nach vorne. „Versuch gar nicht erst mit ab zu wimmeln. Du weisst, dass du mich nun an der Backe hast."

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